Open Badges: Sinnvoller Leistungsnachweis für die Weiterbildung in Bibliotheken?
Warum können Open Badges eine zeitgemäße Form sein, informell erworbenes Wissen und selbstgesteuertes Lernen zu fördern? Und inwiefern liefern sie im Kontext des lebenslangen Lernens einen wichtigen Beitrag dazu, gewonnene Kompetenzen zu validieren? Im Beitrag erklärt Interviewgast Meik Schild-Steiniger, wieso er das Thema als eine mögliche Antwort auf den Paradigmenwechsel in der Lernkultur sieht.
Auf der #vBIB21 hat das Zentrum für Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Weiterbildung (ZBIW) der TH Köln eine Session zu Open Badges angeboten und ist darin der Frage nachgegangen, ob sie ein Instrument für Leistungsnachweise im Kontext informell erworbener Qualifikationen und kompetenzorientierter Lerninhalte im Rahmen der Weiterbildung sind. Das ZBIW möchte Badges zukünftig für seine Zertifikatskurse vergeben und somit der Validierung von Kompetenzen eine neue Richtung geben. Open Badges stellen dabei ein neues digitales Format dar, mit dem Kompetenzen abgebildet werden, die in klassischen Zeugnissen und Teilnahmebescheinigungen keine Berücksichtigung finden.
Ein Interview mit Meik Schild-Steiniger (ZBIW)
Was sind Open Badges? Wozu sind sie gut? Warum braucht das Wissenschaftssystem Open Badges?
Open Badges sind digitale Nachweise, die Kompetenzen belegen, die im Rahmen einer Weiterbildung erlangt wurden. Hinterlegte Metadaten beschreiben die erworbenen Fertigkeiten; sie sind somit spezifisch und individuell. Sie können und sollen für die Validierung non-formaler und informell erworbener Kompetenzen genutzt werden. Der Badge kann dann von den Lernenden etwa in ihren (Social-Media-)Profilen wie LinkedIn, ORCID, Twitter oder XING, aber auch auf Websites, E-Portfolios oder Jobportalen geteilt werden, um mit einem solchen „Minizertifikat“ etwa (potenzielle) Arbeitgeber:innen auf sich aufmerksam zu machen. Bislang fehlt eine zeitgemäße Form der Anerkennung und Wertschätzung solcher Kompetenzen. Open Badges können diese Lücke füllen. Makrodidaktisch geht es also um eine Verzahnung formaler und non-formaler/informeller Lerngelegenheiten.
Warum habt ihr euch mit dem ZBIW dafür entschieden, zukünftig bei euren Seminarangeboten mit Open Badges zu arbeiten?
Das ZBIW als ein bundesweit agierender Weiterbildungsanbieter für Beschäftigte öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken und anderer Informationseinrichtungen verfolgt die Entwicklung der Badges seit Längerem. Unsere Leiterin Ursula Georgy hat dazu einen Artikel zur Zukunft der Wissenschaftlichen Weiterbildung (PDF) in b.i.t-online veröffentlicht, 2017 hat sie zu dem Thema einen Vortrag auf dem Bibliothekartag in Frankfurt a.M. gehalten. 2020 ist dann die Zentrale Weiterbildung der TH Köln – die Akademie für Wissenschaftliche Weiterbildung – auf uns zugekommen, um das Thema gemeinsam anzugehen. ZBIW und Akademie bilden eine Qualitätsgemeinschaft im Rahmen ihrer ISO-Zertifizierung.
Wir sehen das Thema als eine mögliche Antwort auf den Paradigmenwechsel in der Lernkultur. Auch verfolgen wir den Weiterbildungsmarkt und die Hochschulentwicklung genau; eine dynamische Entwicklung ist auszumachen, bei der Badges eine immer größere Rolle spielen. Daher wollen wir diesen Trend aufgreifen und proaktiv mitgestalten. Wir sprechen von einer Ermöglichungskultur, da wir weitestgehend Neuland betreten.
Welches sind die Potenziale und Pluspunkte von Open Bagdes?
Das Potenzial zur Validierung von Kompetenzen habe ich bereits genannt. Zugleich werden Aus- und Weiterbildung immer digitaler. Nachweise über erworbene Kompetenzen lassen sich dagegen im Internet nicht oder nur bedingt, z.B. über eingescannte Teilnahmebescheinigungen, Zertifikate und Zeugnisse, hinterlegen. Daher erscheint es nur ein logischer Schritt zu sein, auch Lernerfolge, Kompetenzen und Fertigkeiten digital belegen zu können. Außerdem bestätigen klassische Teilnahmebescheinigungen und Zertifikate meist nur unzureichend oder gar nicht die erworbenen Kenntnisse. Auf der anderen Seite suchen Arbeitgeber:innen zunehmend gezielt nach bestimmten Fähigkeiten. Dabei gehen sie verstärkt proaktiv vor, indem sie potenziell geeignete Personen direkt z.B. über Karriereportale kontaktieren. Und last but not least verlaufen auch Bewerbungsverfahren inzwischen fast ausschließlich digital. Zertifikate und Zeugnisse müssen dann bislang eingescannt eingereicht werden: Einen Nachweis über ihre Echtheit gibt es nicht. Open Badges dagegen liegen bereits in digitaler Form vor und sind auch entsprechend sicher.
Und welche Herausforderungen gibt es in diesem Bereich aktuell?
Es gibt unterschiedliche Herausforderungen. Zunächst muss entschieden werden, auf welcher Basis ein Badge vergeben wird. Jede Einrichtung kann Badges ausstellen und auch individuell definieren, wofür die Badges vergeben werden. Qualitätsstandards müssen also definiert und eingehalten werden. Dabei müssen wir uns am Qualitätssicherungssystem der TH Köln orientieren; gleichzeitig müssen Kriterien und Prozesse im Rahmen unseres Qualitätsmanagementsystems definiert werden.
Daraus ergeben sich Fragen: Welche Kennzahlen benötigen wir zur Validierung? Wie werden die Leistungen, die für die Badges erbracht werden müssen, abgefragt und bewertet? Es ergibt sich auch ein Mehraufwand für das ZBIW und seine Dozent:innen: Wie wird dieser honoriert? Das sind nur einige Fragen.
Zudem ist die Integration der Open Badges in unsere bestehenden Bildungsstrukturen noch längst nicht abgeschlossen. Das wäre eine wichtige Voraussetzung, um die Bekanntheit und das Vertrauen in Badges zu steigern.
Gibt es inzwischen etablierte Standards für Open Badges oder ist es eher ein Durcheinander? Für welches System habt ihr euch entschieden?
Für MOOCs gibt es Badges seit Längerem, dazu wurde die „Open Badges Infrastructure“ geschaffen. Weitere Standards hat das IMS Global Learning Consortium realisiert, das sich insbesondere für einheitliche Metadaten eingesetzt hat. Im Positionspapier der Hochschulrektorenkonferenz von 2018 wird empfohlen, sich am „Common Microcredential Framework“ (CMF, PDF) des European MOOC Consortiums zu orientieren.
Insbesondere im Ausland gibt es bereits Kooperationsnetzwerke, denen z.B. mehrere Hochschulen und Forschungseinrichtungen angehören. Ein Thema ist unter anderem die einheitliche Vergabe. Ich gehe davon aus, dass wir zunächst etwas Eigenständiges erstellen, bis es ein standardisiertes übergreifendes Verfahren gibt.
Inwiefern werden Open Badges von Arbeitgeber:innen und Hochschulen bereits anerkannt?
Die deutschsprachigen Hochschulen haben das Thema erst seit Kurzem auf der Agenda. Wie bei allen Anerkennungsverfahren muss der Badge individuell geprüft werden, und das liegt im Ermessen jeder Hochschule.
Für Arbeitgeber:innen ist das etwas einfacher, da sie flexibler sind. Inzwischen bieten große Weiterbildungsakademien, z.B. die Haufe Akademie oder Industrie- und Handelskammern Badges an. Auch SAP und immer mehr große Unternehmen bieten im Rahmen ihrer Weiterbildungen Badges an. Sie dürften als Promotoren wirken.
Habt ihr ein paar Beispiele von Bibliotheken, die schon mit Open Bagdes arbeiten? Ist das eher ein angloamerikanisches Phänomen oder gibt es auch schon Vorreiter im deutschsprachigen Raum?
Tatsächlich kann ich zunächst fast nur angloamerikanische Beispiele nennen. Etwa 20 Prozent der dortigen Hochschulen erproben bereits Badges. Recherchen bei der American Library Association (ALA) zeigen, dass sie dies vor allem im Kontext der Informationskompetenz testen – auf Basis des „Framework for Information Literacy“.
Auch deutschsprachige Bibliotheken werden folgen, da man Modelle und Frameworks der Informationskompetenz nutzen kann, die überregionale Gültigkeit haben. Ich kann mir vorstellen, dass auch Großstadtbibliotheken längerfristig einsteigen werden, da sie vermehrt Bildungsangebote anbieten, sei es zur Informations- oder Medienkompetenz. Und gerade diese eher kurzen Weiterbildungen wurden bislang kaum durch Zertifikate gewürdigt.
Für die Förderung der Medienkompetenz nutzen Bibliotheken in NRW den Medienkompetenzrahmen oder den DigitalCheckNRW für Angebote in der Erwachsenenbildung. Sie können über das Portal des Digitalchecks Bildungsangebote bewerben und viele nutzen diese Möglichkeit. Die Validierung übernimmt das System, es muss kein eigenes Verfahren überlegt werden.
Und jüngst ist die EU mit dem European Digital Competence Framework (DigComp) an den Start gegangen, dazu gehört auch ein Auswertungstool zur Kompetenzvalidierung.
Wenn eine Bibliothek oder digitale Infrastruktureinrichtung gern mit Open Badges starten möchte, was wären eure Tipps? Wie geht sie am besten vor?
In erster Linie sollten sich Bibliotheken vernetzen. Das Rad muss nicht neu erfunden werden. Es soll ein Kriterienkatalog entwickelt werden, über den folgende Fragen beantwortet werden: Für welche Leistung soll ein Badge verliehen werden? Welche Metadaten werden genutzt? Welche Inhalte darin erfasst? Wie sehen die Anerkennungsregeln aus? Wie sieht das Design des Badges aus?
Eine Möglichkeit könnte sein, dass sich Bibliotheken den Medienkompetenzrahmen als Basis nehmen und sich den Bereich der Informationskompetenz anschauen. Aus den Anforderungen leitet man Lernziele ab, etwa am Beispiel der Lernzieltaxonomie nach Bloom. Daraus lassen sich Kennzahlen erstellen, die man validieren kann. Im Anschluss wird der Badge ausgestellt.
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Meik Schild-Steiniger ist im Weiterbildungsmanagement des ZBIW zuständig für Fort- und Weiterbildungsangebote für Wissenschaftliche Bibliotheken. Er ist Bibliothekar und Medienpädagoge (M.A). Nach seinem Studium der Bibliothekswissenschaft an der Fachhochschule Potsdam und der Technischen Hochschule Köln (B.A.) absolvierte er das berufsbegleitende Masterstudium “Education & Media” an der Universität Duisburg-Essen, mit Fokus Medienpädagogik in der Erwachsenenbildung und Bildungsmanagement. Er ist stellvertretender Vorsitzender der BIB Landesgruppe NRW und unter dem Twitter-Account RheinlandFranke Mitorganisator des “BIBchatDE” auf Twitter.
Porträt: TH© [CC BY 4.0], Fotografin: Heike Fischer
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